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Wahrnehmung der Votanten

Situationsbeschreibung, Ist-Stand, Vorgefundenes

Die Sehnsucht nach Seelsorge ist der durchgängige Tenor der Voten in diesem ersten Kapitel. Den Menschen geht es um die Zukunft der Kirche im Erzbistum Köln und besonders um ihre Gemeinde. Deswegen suchen sie nach neuen Formen der Seelsorge und äußern den tiefen Wunsch nach Begegnung, nach echter Beziehung, nach einem Leben aus dem Glauben an Jesus Christus. Die Christen im Erzbistum Köln wollen nicht kirchlich verwaltet werden, sondern wünschen sich persönliche, seelsorgliche Begleitung durch den Priester im Lebensraum einer lebendigen Gemeinde.

Wir verstehen Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden. Von daher erwarten wir, daß die Kirchenleitung mehr für den Menschen da ist, mehr Seelsorge anbietet und statt dessen weniger Organisation und Verwaltung ist. (VV-003-160)
Es gibt Probleme, die die Menschen mit einem Geistlichen besprechen wollen. (G331-738-0)
Die Menschen ... wollen Seelsorger vor Ort, die frei sind für Seelsorge und nicht überlastet mit Verwaltungs- und Organisationsarbeit, nicht eine Mängelverwaltung und eine Bestandssicherung der kirchlichen Institution, sondern erlebbare Gemeinden ... Wir alle brauchen Ansprechpartner mit offenen Ohren für die Sorgen und Nöte ... Für Familien, Randgruppen, Senioren, Kranke und Trauernde ist keine Zeit mehr, aktive Laien werden aus Überbelastung seelsorgerisch auch zu wenig begleitet. Dadurch fühlen sich immer mehr Christen allein gelassen, resignieren und ziehen sich zurück. Auch eine Zusammenfassung zu Pfarrverbänden bietet keine Lösung, da es eine Mobilität der Gemeindemitglieder voraussetzt, die selten gegeben ist ... (G134-166-0)
Der Klerus muß aus der Anonymität heraus und auf die Gemeindemitglieder zugehen (Priester zum Anfassen). (G171-280-0)
... mehr seelsorgerische Hilfen zwischen Auslegung des Evangeliums und der Alltagsbewältigung (G321-727-0)


Im krassen Gegensatz zu diesen Wunschvorstellungen steht die Realitätswahrnehmung der Votanten: Durchgängig erleben die Gemeinden ihre Seelsorger/innen, namentlich aber die Pfarrer, als überlastet, als Funktionäre, die Dinge tun oder tun müssen, die sie davon abhalten, mit offenen Ohren und Herzen für die Anliegen, Themen und Sorgen der Gemeindeglieder dazusein.

Wir erleben unsere Seelsorger zuviel als Verwaltungsmanager und Sozialarbeiter. Darunter leidet oftmals die eigentliche Seelsorge aus Zeitmangel. (VV-027-110)
Wir erfahren es als bedrückend, daß besonders die Priester durch ihren Einsatz in mehreren Gemeinden ihre Verbundenheit mit den Menschen verlieren. Es besteht die Gefahr, daß sie nur noch liturgische ''Manager'' sind (SB-161-A)
Priester werden vielfach als Kirchenbeamte gesehen; entscheidende Aufgabe ist jedoch Seelsorge. (SB-145-A)
Die Versorgung mehrerer Gemeinden mit den pastoralen Grunddiensten und die tägliche Arbeit der ''einhundert Einzelheiten'' überlastet die von dieser Situation betroffenen Pfarrer.(D-144)
Die Seelsorger sind durch die wachsenden Verwaltungsaufgaben in unseren Gemeinden überlastet (G184-364-0)


Diese Überlastung des Pfarrers bzw. der Seelsorger/innen steht für die Votanten auch in Zusammenhang mit der Personalplanung des Bistums: Territoriale wie pastorale Zuständigkeiten der hauptamtlichen Seelsorger/innen werden immer weiter ausgedehnt - mit dem Effekt der Überforderung bei den Seelsorger/innen und einer als schmerzlich empfundenden Entfremdung von den Gemeindemitgliedern. Die Bewertung dieser Entwicklung lautet: Notversorgung, Mangelverwaltung, krankmachende Strukturen, lebensfremde Pastoral.

Jetzt schon erleben die Gruppen unserer Pfarrei die Einschnitte des Plans 2000 als schmerzhaft und tiefgreifend. Eine Kirchenleitung, die nur noch eine Notversorgung gewährleistet, weil sie nicht bereit ist, über neue Zugangswege zu den kirchlichen Ämtern und über wirkliche Verantwortungs- und Mitbestimmungsstrukturen für Laien nachzudenken, gefährdet das lebendige kirchliche Leben. (G119-048-0)
Es muß sichergestellt sein, daß ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin vor Ort ist, die die Gemeinde zusammenhält, sich um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kümmert, für die Sorgen und Nöte der Menschen da ist, ausgleicht, vermittelt, schlichtet und dafür sorgt, daß die Grunddienste einer Gemeinde (Diakonie, Liturgie und Glaubensverkündigung) gewährleistet sind. (G133-147-0).
Es entstehen immer größere Pfarrbezirke, weil ein Priester mehrere Pfarreien ''verwaltet''. Dadurch entsteht Überforderung der Priester, und es ist keine Beziehung zu den Menschen möglich. Kirche wird so zum ''flächendeckenden Sakramenten-Service-Unternehmen''. (G342-766-0)
Aus unserem Erleben ergibt sich aber folgendes Problem: Die Priester, die zur Eucharistiefeier kommen, kennen die Gemeinde nicht mehr in ihrem Alltag. Ein Zusammenlegen der Gemeinden wäre keine Lösung, da solche Großgebilde zu Entfremdung und Identifikationsschwund führen. Die jetzigen Zustände sind für Priester, Laien und Gemeinden krankmachende Strukturen. (G115-058-0)


Demgegenüber besteht eine hohe Einigkeit darüber, daß die sonntägliche Eucharistiefeier mit dem - am liebsten ortsansässigen - Priester, die Spendung der Sakramente und in hohem Maße die Einzelseelsorge unaufgebbare Elemente einer christlichen Gemeinde sind.

Nach unserem heutigen Verständnis von einer guten Gemeinde wird der Priester unbedingt für die Eucharistie und die vielen pastoralen Dienste gebraucht. (G133-151-0)
... die Wichtigkeit von Sonntagsgottesdiensten mit Priestern. Priester seien Ansprechpartner für Jugendliche. Auf ihre Auslegung des Wortes Gottes wolle man nicht verzichten. Es sei zugleich gemeinschaftsbildend. (G145-230-0)
Die sonntägliche Eucharistiefeier, Taufe, Erstkommunion, Firmung, Trauung, Krankensalbung, Beichte und Beerdigung gehören zu den unaufgebbaren Grunddiensten einer katholischen Pfarrgemeinde. Ebenso gehören Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand zu den notwendigen Aufgaben von Haupt- und Ehrenamtlichen. (G171-288-0)


Seelsorge wird von vielen Votanten als personales Angebot verstanden, das nicht nur auf Kleriker oder hauptamtliche Seelsorger/innen fixiert ist. Vor allem in Zusammenhang mit Hausbesuchen und Besuchsdiensten wird von Aufbrüchen und z.T. auch Erfolgen einer ''Geh-Hin-Kirche'' gesprochen, die für viele außenstehende Menschen den einzigen Kontakt mit Kirche überhaupt darstellen.

Es stellte sich heraus, daß diese Besuchsdienste für sehr Vereinsamte von großem Wert sind. Berichtet wurde mehrfach von Menschen, die in ihrer Einsamkeit den Glauben verloren hatten und die dankbar waren, daß sie durch behutsames Hinführen den Weg zum Glauben wiederfanden. (VD-029-146)
Wir erleben Ansätze einer ''Geh-Hin-Kirche'' konkret in unserer Gemeinde: Pfarrbesuchsdienst, Pfarrbrief, wöchentliche Pfarrnachrichten, Krankenhausbesuchsdienst. (G114-005-0)
Hausbesuche durch den Pastor, den Gemeindereferenten und einzelne Gemeindemitglieder erfolgen zu verschiedenen Anlässen. (G146-247-0; G146-244-0)
Ansätze hierzu in unserer Gemeinde: Erstkommunion und Firmvorbereitung - Einladung zu Kinder-und Jugendgottesdiensten; Jugendarbeit; Altenbesuche; Besuche bei neu zugezogenen Christen; Betreuung; Einladung an nicht-regelmäßige Kirchenbesucher zu Kinder- und Jugendgottesdiensten; Aktivitäten (Außenstehende einladen!); Unterstützung der Eltern bei der religiösen Erziehung der Kinder; Voraussetzung: sich selbst intensiver mit dem Glauben auseinandersetzen, z.B. durch Bibelabende mit Sachkundigen, Glaubensstunden, ökumenischer Austausch, Gespräch über die Predigt, Gespräch über die Bewältigung von Lebensproblemen. (G343-741-0)
Die Notwendigkeit einer ''missionarischen Seelsorge'' wird gesehen und könnte sich auf folgenden Feldern verwirklichen lassen, was z.T. auch geschieht: Konsequente Hausbesuche bzw. Gespräche bei Trauerfällen, Taufen, Trauungen, Erstkommunion und Firmung; Zustellung des Gemeindebriefes, Bildung von Mutter- und Kindgruppen als offenes Angebot; Kontakt zu den Schulen, besonders aber zu den Schülern; Kontakt zu den im Stadtteil tätigen Gruppen; Kontakt zu den Ausländergruppierungen (25% Anteil); Nachbarschaftstreffen; Austritte; Krankenhausbesuche, Ökumene; Kindergarten. (G144-212-0)


Während in diesen Ansätzen auch gelungene Formen ehrenamtlichen Engagements von Laien gesehen werden, finden sich nur sehr vereinzelt Vorstellungen, diesen Bereich Priestern vorzubehalten:

In der heutigen säkularisierten Lebenssituation sind Hausbesuche der Priester besonders wünschenswert. Es ist nicht dasselbe, ob ein Laie oder ein Priester zu den Menschen kommt, wenn auch manchmal der Laie eine ''Brücke'' bauen muß. (G112-027-0)
Im Gespräch mit Betroffenen und Helfern zeigte sich, daß der Priester bei der monatlichen Hauskommunion bevorzugt wird, autorisierte Laien werden meistens abgelehnt, zusätzliche Hauskommunion von Laien ist meist nicht erwünscht. (G183-344-0)


Bei der großen Sehnsucht nach Seelsorge und auf dem Hintergrund des Priestermangels verstehen viele Gläubige den Umgang der Kirchenleitung mit aus dem Dienst ausgeschiedenen Priestern nicht. Er wird als unmenschlich, unchristlich und kontraproduktiv bewertet.

Es ist oft unwürdig, wie die Kirche mit Priestern umgeht, die geheiratet haben. Menschen, die sich oftmals Jahre und Jahrzehnte engagiert für den Glauben und die Kirche eingesetzt haben, werden von einem auf den anderen Tag rausgeworfen. (G228-535-0)
Viele inzwischen verheiratete Priester wären in unseren Gemeinden wertvolle Mitarbeiter. Die derzeitige Praxis ächtet sie und verstößt unserer Ansicht nach auch gegen das Gebot der Liebe. (G214-427-0; G214-424-0)
Zudem vermißten die Arbeitsgruppenmitglieder die laisierten Priester. Obwohl sie dringend ''vor Ort'' gebraucht würden, werden sie ausgegrenzt. (G145-230-0)
Aufgrund einer gesellschaftlich, aber auch innerkirchlich mitunter recht schwierigen Situation, den priesterlichen Dienst zu leben, kommt es immer wieder dazu, daß Priester sich außerstande sehen, ihren Dienst weiter auszuüben, und deshalb um Laisierung bitten. Seit Jahren werden derartige Laisierungsanträge kaum bearbeitet bzw. wird die Laisierung nicht entschieden. (G211-371-0)